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Elisabeth Schmitz (1893-1977) – solidarisch mit den Juden, kritisch mit ihrer Kirche.

An diese couragierte Frau aus der Bekennenden Kirche im „Dritten Reich“ zu erinnern macht Sinn. Ihre Wachsamkeit gegenüber dem Antisemitismus und der Menschenverachtung der Nationalsozialisten von Anfang an kann uns auch heute ermutigen und herausfordern. Ihr Versuch, die Bekennende Kirche zum Widerstand gegen die Judenverfolgung im „Dritten Reich“ aufzurütteln, war unbequem.

Vorkenntnisse über die Judenverfolgung im „Dritten Reich“ sind wünschenswert, aber nicht notwendig, denn die Beschäftigung mit der Person Elisabeth Schmitz und ihren Reaktionen eignet sich, die Judenverfolgung in ihren verschiedenen Phasen kennenzulernen, sowie das Verhalten der Bekennenden Kirche gegenüber den Juden (siehe auch Übersicht im Anhang).
So ist ein „biografisches Lernen“ möglich.

Der zweiseitige Entwurf für eine Doppelstunde im KU oder RU 8/9 versucht, Elisabeth Schmitz und ihre Zeit nicht zuletzt durch ihre eigenen Worte -altersgemäß ausgewählt – anschaulich werden zu lassen.

Der mehrseitige Entwurf für eine Doppelstunde in der Sekundarstufe II oder Erwachsenenbildung besteht vor allem aus Einleitungen und Kommentare zu den Lesetexten im Anhang.

Fragen zum Austausch und zwei Bilder sind jeweils angefügt.
Weitere Bilder zu Schmitz sind in den verschiedenen Biografien über Schmitz zu finden.

Diese Unterrichtsentwürfe (samt Zitaten) basieren auf der Biografie:
Sibylle Biermann-Rau, Elisabeth Schmitz, Wie sich die Protestantin für Juden einsetzte, als ihre Kirche schwieg, Hamburg 2017,144 Seiten.
Seit 2010 hat die Autorin Kontakt mit D. Meyer, der ehemaligen Schülerin und späteren Freundin von Elisabeth Schmitz.

Hinweis auf Internetseiten:   

Anmerkung 1: Die „Entdeckung“ von Schmitz:

Erst 1999 wird durch Pfarrerin i.R. Dietgard Meyer (*1922) bekannt, dass Schmitz die Verfasserin der- zum eigenen Schutz unterschriftslosen – 20seitigen Denkschrift von 1935/36  „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ ist. Der Nachweis dafür war, dass Schmitz in ihrem Gesuch um Wiederaufnahme in den Schuldienst 1947 „ihre“ Denkschrift als Anlage beigelegt hatte.
Diese gilt heute als das bedeutendste Dokument des Protests auf evangelischer Seite gegen die Judenverfolgung der Nationalsozialisten. Aber wie kommt es, dass jahrzehntelang diese Denkschrift samt Verfasserin im Dunkeln blieb? Warum haben diejenigen, die darum wussten, nichts gesagt? Warum hat sie sich nicht selbst als Verfasserin offenbart?

Von Bedeutung sind auch ihre Briefe an die Theologen Karl Barth und Helmut Gollwitzer und beeindruckend ihre persönlichen Konsequenzen nach der Reichspogromnacht sowie ihre Bereitschaft, jüdischen Menschen Asyl zu gewähren. All das zusammen ergibt das Bild einer außergewöhnlichen Persönlichkeit.

Anmerkung 2: Deutsche Christen und Bekennende Kirche:

Die protestantische Bewegung der Deutschen Christen (DC), die dem Nationalsozialismus nahestanden, hatten bei den Kirchenwahlen 1933 die Leitung in 19 der 22 evangelischen Landeskirchen übernommen (außer in Württemberg, Bayern und Hannover). Die DC forderten z.B. die Einführung des Arierparagraphen auch in der Kirche – für jüdisch-stämmige Mitarbeitende. Als Gegenbewegung entstand die Bekennende Kirche (BK), die sich ab 1934 in Gemeinden, Synoden (die gewichtigste war die auf dem Gebiet der Altpreußische Union vom Rheinland bis Ostpreußen) und sogenannten „Bruderräten“ organisierte – Frauen hatten keine leitenden Positionen inne.

Der Kirchenkampf der BK war zunächst ein innerkirchlicher gegen die Deutschen Christen. Wichtig war der BK auch die Verteidigung der Freiheit gegenüber Übergriffen des Staates auf die Kirche, wobei der entschiedene Flügel (mit Niemöller u.a.), der eine deutlichere Sprache gegenüber dem Staat forderte, dem gemäßigt-konservativen Flügel (Wurm u.a.) unterlegen war. Die BK geriet in Konflikte mit dem Staat, v.a., wenn sie sich für die evangelisch getauften Juden engagierte, die ja ihre Kirchenmitglieder waren (mind. 100.000 im damaligen Deutschen Reich). Aber die traditionelle Judenfeindschaft war auch in der BK verbreitet, und nur wenige zeigten Solidarität mit allen verfolgten Juden, nicht nur mit den getauften.  (siehe dazu auch untenstehende Tabelle)       

Phasen der JudenverfolgungReaktion der Bekennenden KircheReaktion von Elisabeth Schmitz
   
1. 1933-1935 Ausgrenzung:
Frühjahr 1933 Boykottaktionen, Arierparagraf für Beamte, Ausschluss aus freien Berufen
Ariernachweise von fast allen Pfarrämtern
1933 Vorläufer der BK:
Jungreformatorische Bewegung und Pfarrernotbund (Niemöller) gegen Arierparagrafen in der Kirche
Kontakte zu jüdischen FreundInnen/KollegInnen; Sammeln von Informationen über die Diskriminierung von Juden
 1934 Gründung der BK:
Barmer Erklärung (Barth) – „7. These“ gegen die Irrlehre des Antisemitismus fehlt
Intensiver Briefwechsel mit
Barth, v.a. 4/1933 und 1/1934
2. 1935-1938 Entrechtung:
September 1935 Nürnberger Rassegesetze, Trennung von Ariern und Juden in allen Lebensbereichen
1935 Spannungen in der BK
(ohne Barth, bald darauf zurück in CH)
1936 Spaltung der BK in 2 Flügel:
Mai 1936: Vertrauliche Denkschrift des entschiedenen Flügels an Hitler- 2 Sätze zur Judenverfolgung, die fehlen aber in der Kanzelabkündigung. Allgemein: Engagement für Judenchristen
September 1935: Persönliche Denkschrift (~20 Seiten) für BK: „Zur Lage der deutschen Nichtarier“ Mai 1936: Nachtrag zu Nürnberger Gesetzen  
 1937 Schwächung der BK:
vor allem des entschiedenen Flügels (Niemöller und Schneider verhaftet), unzählige Verbote
weitere Briefe an Karl Barth  
   1938 Lähmung der BK:
Auseinandersetzungen um Treueid auf Hitler. Auf Druck von außen distanziert sich der kompromissbereite (mit Wurm u.a.) von der Gebetsliturgie des entschiedenen Flügels
 
3. 1938-1941 Ausstoßen:
9. November 1938: Reichspogromnacht, Zerstörung der jüdischen Gotteshäuser u.a., Verhaftungen und Morde, weitere judenfeindliche Verordnungen  
Schweigen zur Reichspogromnacht.
Büro Grüber hilft Judenchristen.
Zu Kriegsbeginn Zusammenrücken des kompromissbereiten Flügels der BK mit dem moderateren Flügel der Deutschen Christen,
viele BK-Pfarrer an der Front (Gollwitzer),
entschiedener Flügel der BK zerschlagen, Bonhoeffer u.a. werden zu Verschwörern.
Kontakt zu Helmut Gollwitzer wg. Bußtagspredigt,
Quittierung ihres Schuldienstes. Ehrenamtliche Arbeit für die BK (RU für Konvertiten, Bibelarbeit, Besuche).
Asyl für Juden in ihrer Wohnung und in ihrem Wandlitzer Gartenhaus.
4. 1941-1945 Vernichtung:
Juni 1941: Überfall auf die Sowjetunion, Massenvernichtung in den Lagern im Osten
Wurm wird Sprecher der evangelischen Christen-kein öffentliches Wort zum Judenmord.Weitere ehrenamtliche Arbeit für die BK und Asyl für jüdische Menschen in Berlin bis 1943