1. Konfirmandenunterricht und Religionsunterricht Klasse 8/9

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Elisabeth Schmitz (1893-1977) Wie sich die Protestantin für Juden einsetzte, als ihre Kirche schwieg (Lit: Sibylle Biermann-Rau, gleichnamiges Buch)

Kurzbiografie:

(Foto: Dietgard Meyer privat)

Elisabeth Schmitz wird 1893 in Hanau geboren. Sie studiert Geschichte, Deutsch und Theologie – ab 1915 in Berlin – und gehört dort vermutlich als erste Frau zu einem Kreis von Elitestudenten. Die promovierte Historikerin absolviert parallel zu ihrem Schuldienst ein mehrjähriges Vertiefungsstudium in Theologie. Im „Dritten Reich“ schließt sie sich Gemeinden der Bekennenden Kirche an, einer Gegenbewegung zu den Deutschen Christen, und  engagiert sich für die verfolgten jüdischen Menschen. Schmitz bleibt unverheiratet, aber lebt ihre Kontakte v.a. in einem Freundinnen-und Kolleginnenkreis, zu dem auch Jüdinnen gehören. Sie ist auch gut vernetzt mit Gleichgesinnten. Nach der Evakuierung aus Berlin kehrt sie 1943 nach Hanau und 1946 in den Schuldienst zurück. Sie stirbt 1977.

I Ausgrenzung der Juden durch Boykott und Berufsverbote ab 1933

* 1933 nimmt Schmitz für 4 Jahre die entlassene Ärztin Martha Kassel, eine getaufte Jüdin, in ihre 3-Zimmer-Wohnung auf. (1937 wird Schmitz vom Blockwart denunziert; die drohende Entlassung aus dem Schuldienst wird von der Schulbehörde verhindert)

* Eine seinerzeit 13 jährige Schülerin erinnert sich an ihre Lehrerin: „Abneigung oder Zuneigung erzeugte sie bei uns durch ihre erkennbare Ablehnung des Nationalsozialismus. Die zeigte sich schon bei ihrem Hineinkommen ins Klassenzimmer mit ihrem Hitlergruß. Der kam nicht forsch und mit stramm erhobenem Arm wie bei anderen Lehrern. Nein, sie machte nur eine verhuschte Handbewegung und ihr verhauchter Gruß war kaum vernehmbar.“

* 1934 schreibt Schmitz in einem ihrer Briefe an einen sehr bekannten Theologieprofessor (Karl Barth): “Deutschland hat einen Götzen: die Rasse – u. diesem Götzen bringen die Deutschen Menschenopfer.“

II Die Entrechtung der Juden durch die Nürnberger Rassegesetze ab 1935

* 1935/36 verfasst Schmitz eine 20seitige Denkschrift für die Bekennende Kirche, mit vielen Beispielen zur Judenverfolgung

„Zur Lage der deutschen Nichtarier“.

Der erste Punkt betrifft die Aufhetzung der öffentlichen Meinung, sie schreibt:
„Im Namen von Blut und Rasse wird seit stark zwei Jahren die Atmosphäre in Deutschland unaufhörlich planmäßig vergiftet durch Hass, Lüge, Verleumdung, Schmähungen niedrigster Art“ Und sie fragt: „Sollte nicht auch uns das 8. Gebot gelten?“

Und im Nachtrag heißt es:
„Tatsächlich geht der Kampf gegen die jüdischen Geschäfte unaufhörlich und mit allen Mitteln weiter[…]Aber ebenso klar ist, dass das deutsche Volk als Ganzes sich dadurch gegen das 7. Gebot versündigt.“

Schmitz selbst vervielfältigt 200 Exemplare und verteilt diese in ganz Deutschland.
Ihren Namen hat sie nicht darunter gesetzt.
(Schon der Besitz von Vervielfältigungsapparaten war verboten, ganz abgesehen vom Inhalt).

III Ausstoßen der Juden ab der Reichspogromnacht 1938

Noch 1938, unmittelbar nach dem 9. November, reagiert Elisabeth Schmitz in dreifacher Weise:

* „Ich beschloss, den Schuldienst aufzugeben und nicht länger Beamtin einer Regierung zu sein, die die Synagogen anstecken lässt.“ In ihrem Antrag auf Frühpensionierung heißt es:
„Es ist mir in steigendem Maße zweifelhaft geworden, ob ich den Unterricht in meinen rein weltanschaulichen Fächern-Religion, Geschichte, Deutsch – so geben kann, wie ihn der nationalsozialistische Staat von mir fordert“.
(Zwei zuständige Beamte der Schulbehörde geben dem Antrag statt und melden ihr Verhalten nicht weiter.)

* Sie macht einem bekannten Pfarrer der Bekennenden Kirche (Helmut Gollwitzer) Vorschläge: „Ob wohl jemand auf den Gedanken gekommen ist, an Dr. Baeck[Reichsvertreter der Juden] zu schreiben im Namen der Kirche, oder an die jüdische Gemeinde, der man alle Gotteshäuser in Deutschland verbrannt oder in die Luft gesprengt hat… Wo sollen denn nun die Gemeinden Gottesdienst halten in dieser Notzeit?“

* Sie kauft einem Juden, der emigrieren muss, das kleine Gartenhaus am Wandlitzsee ab und versteckt dort untergetauchte Juden.
(Damit macht sie sich auch strafbar)

* Fortan engagiert sie sich ehrenamtlich in der Bekennenden Kirche mit Bibelarbeiten und Besuchsdienst und gibt Taufunterricht für Juden und Jüdinnen, die Christen werden wollen. Dazu muss sie in die als Judenwohnungen gekennzeichneten Häuser gehen.
(streng verboten)

IV Die Massenvernichtung der Juden im Osten ab dem Überfall auf die SU 1941

* Sie gibt jüdischen Menschen Asyl in ihrer Wohnung am Robert-Koch-Platz in Berlin-Mitte:

z.B. Karl, dessen jüdischer Vater in die Rosenstraße ins Sammellager gebracht worden war. Als sich seine Mutter zum Protest der Ehefrauen aufmachte, habe sie, so schreibt er 1999 aus den USA, besorgt um den allein in der Wohnung zurückbleibenden Sohn, zu ihm gesagt: „Geh du zu Frau Dr. Schmitz, die wird dich aufnehmen!“ Und das tat sie dann auch, für etliche Tage.

z.B. Liselotte, die aus einem Berliner Sammellager fliehen konnte. Sie schrieb nach dem Krieg: „[Schmitz] hat uns Flüchtlingen auch oft durch ihre Haltung geholfen, den Glauben an eine bessere Zukunft nicht zu verlieren.“

Gedenktafel Auguststraße 82, Berlin-Mitte  (Foto: Sibylle Biermann-Rau privat)

In Ihrer Schulrede in Hanau 1950 nennt Schmitz rückblickend als Ursache der Verirrung der Menschen im „Dritten Reich“:
„Wir haben den Menschen nicht mehr gesehen, am allerwenigsten im Juden“.
Schließlich ihr Appell:
Seht den Menschen! Sagt nicht immer: Die Franzosen, die Polen, die Juden, die Arbeiter, die Kapitalisten. Lernt den Menschen kennen, den Einzelnen, auch den Fremden, ehrt ihn darin, dass ihr freundlich zu ihm seid, auch den Schwachen und Verachteten gegenüber“.

Fragen

1.Welches Verhalten von Schmitz beeindruckt Dich am meisten – warum?

2. Wie beurteilt sie die nationalsozialistische Judenverfolgung?

3. Wenn das Verhalten von Schmitz entdeckt oder verraten worden wäre, hätte ihr Haft oder Schlimmeres gedroht. Hast Du eine Idee, warum sie so gehandelt hat? Und woher sie die Kraft dazu nahm? Beachte dabei auch ihren Lebenslauf.

4. In der Denkschrift hat Schmitz eine Fülle von Beispielen der Judenverfolgung genannt.
Nenne einige (siehe Internet: Vollstaendiger Text der Denkschrift Elisabeth Schmitz 1935/36).

5. In ihrer Hanauer Schulrede werden Menschengruppen genannt, die pauschal diskriminiert werden.
Welche sind das aktuell bei uns?

6. Meinst Du, es ist sinnvoll, heute an Elisabeth Schmitz zu erinnern und warum?